Portraits > Egon Eiermann

Egon Eiermann

Egon Eiermann

Egon Eiermann wurde am 29. September 1904 in Neuendorf bei Berlin geboren. Nach dem Architekturstudium an der TH in Berlin ging Eiermann 1927 in das Bauatelier der Karstadt AG in Hamburg und anschließend zu den Berliner Elektritzitätswerken. 1931 gründete er mit Fritz Jaenecke sein erstes eigenes Büro, das er ab 1934 alleine fortführte. Schon in frühen Jahren hat er namhafte Bauten errichten können.

Da sich Eiermann im nationalsozialistischen Deutschland vorrangig dem Industriebau widmete, konnte er sich unbehelligt weiter stilistisch in einer modernen Richtung entwickeln. Er setzte seine Architektur, die Leichtigkeit und Frische vermittelte und Fortschritt symbolisierte, selbst bei Rüstungsbetrieben ohne politische Bedenken um. Durch diesen geschickten Opportunismus gelang es ihm, seine Karriere ungehindert im Nachkriegsdeutschland fortzusetzen und machte ihn schließlich zu einem der einflussreichsten Architekten seiner Zeit. 1947 folgte er einem Ruf an den Lehrstuhl für Architektur an der Technischen Hochschule Karlsruhe.

Die Studenten waren begeistert von der Person und dem Lehrer Egon Eiermann, seiner Didaktik und seiner nicht endenden Suche nach einfachen Lösungen. Jeden Tag erwartete er von ihnen einen neuen Entwurf. Und dann sollte er auch noch sinnvoll sein! "Nun zeichnen Sie einen Stuhl" soll er in den überfüllten Hörsaal gerufen haben, "so wie er Ihnen gerade einfällt. Wenn Ihnen gar nichts einfällt, zeichnen Sie einen Liegestuhl!" So entstand sicherlich auch 1953 der Originalentwurf des Tischgestells mit den schrägen, in einer Ebene liegenden Kreuzstäben, das Richard Lampert seit 1997 reproduziert und von ihm als Eiermann 1 benannt wurde. Das zerlegbare Gestell von 1965 mit senkrecht montierten Kreuzstäben, das nicht von Eiermann selbst stammt sondern das ein Assistent von ihm initiierte, wurde von Richard Lampert zur Unterscheidung als Eiermann 2 bezeichnet.

Als führendes Haupt der "Zweiten Moderne" auf dem Gebiet des Möbeldesigns ist Eiermanns Rolle für die moderne deutsche Möbelgestaltung hoch einzuschätzen und er hat nachhaltig eine Design-Generation geprägt. Eiermann war der erste, der in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg (1948/49) Serienmöbel entwickelte, die dem internationalen Maßstab an Form und Funktionalität Stand hielten. Ihm ist es zu verdanken, dass Deutschland nach den Jahren der nationalsozialistischen Isolation wieder an seiner Vergangenheit (Deutscher Werkbund, Bauhaus) anknüpfen und in den Kreis der vorbildlichen Designnationen eintreten konnte. In diesem Zusammenhang ist auch von großer Bedeutung, dass Egon Eiermann mit Sepp Ruft 1958 den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel entwarf. Er zeigte der Weltöffentlichkeit, dass die klassische deutsche Moderne trotz des Nationalsozialismus überlebte und neue Wege bestritt.

Weitere wegweisende Entwürfe sind u. a. der Stahlrohrstuhl SE 68, der Korbsessel E 10, der Holzklappstuhl SE 18 und der Kirchenstuhl SE 121 (die meisten Stühle werden heute von Wilde+Spieth hergestellt) - immer noch zu sehen in der Kaiser-Wilhelm Gedächtniskirche. Den Wettbewerb zur Revitalisierung dieser Kirche gewann Eiermann übrigens im Jahr 1959. Auf einer durch Stufen abgehobenen Plattform nehmen ein achteckiger Hauptbau und ein achteckiger, schlanker Turm die historische Turmruine in die Mitte. Dieser Bau zählt zu Eiermanns bekanntesten Werken. 1970 verstarb Egon Eiermann in Baden-Baden.

© copyright prodomoWien/Hersteller, Autor: Werner Backhausen